Howling Timber's Familie

Timber (Sarja's Howling Timber)

27. Oktober 1993 - 21. Dezember 2008


Timber: Sein Ende in dieser Welt


In deinem 12. Lebensjahr haben wir damit begonnen, dich von der Arbeit als Schlittenhund langsam zu entlasten, pensionieren heisst das unter Menschen. Es war deine eigene Entscheidung, deutlich hast du uns das gezeigt. Oft durftest du frei einfach mitlaufen, ganz wie es dir beliebte. Dann bemühtest du dich immer darum, allen voran an der Spitze zu laufen. Es brauchte viel, bis dein Stolz es zuliess, Müdigkeit zuzugeben und als Passagier auf dem Schlitten mitzufahren. Ja ja, dein Kopf wollte es lange nicht warhaben, dass dein Bewegungsapparat nun langsam wirklich alt und gebrechlich wurde. Aber du wärst uns noch auf Knien nachgerutscht, weil du einfach immer dabei sein wolltest, selbst als es nicht mehr ging.

 

Einmal, es waren deine letzten Ferien in Irland, habe ich dich eine halbe Stunde lang den Hügel vom Strand zu unserem Haus hinaufgetragen, während alle anderen an der Leine an meinem Bauchgurt zerrten. Der weiche Sandstrand hatte dich müde gemacht. Irgendwann hast du dich mit dem Alter abgefunden, hast dich damit begnügt, bei jedem Ausflug die nähere Umgebung zu beschnuppern und anschliessend im Bus auf unserer Rückkehr zu warten. Sonst haben wir dir jede nur erdenkliche Freiheit gelassen, du durftest beinah alles. Nur fressen liessen wir dich nicht grenzenlos. Das waren immer deine Vorlieben: Hübsche Hündinnen und Fressen. Du wärst wohl kugelrund geworden, wir scherzten, dich dann als Reserverad mitzunehmen, gaben dann aber doch deiner Gesundheit den Vorrang vor deinen Essgelüsten.

Irgendwann ging dann auch das Treppenlaufen nicht mehr. Du hast das erst geglaubt, als du das zweite Mal hinuntergefallen bist. Selbstverständlich haben wir dich nun immer hinauf- und hinuntergtragen, damit du Tag und Nacht bei uns sein konntest. Wir haben dich hinaus- und wieder hineinbegleitet und waren immer da, um dir wieder beim Aufstehen zu helfen, wenn du ausgerutscht warst auf unserem blöden Steinboden oder die Kraft dich verliess. Die Führung des Rudel hattest du ja schon lange abgegeben, aber den nötigen Respekt hast du von allen jederzeit erhalten und ihn wenn nötig auch eingefordert. An deinem letzten Tag noch hast du einen deiner Enkel angefaucht, als dieser deinem Futter zu nahe kommen wollte. 

Und dann - dann ging es nicht mehr. Nichts ging mehr.

Manchmal im Leben kommt eine Situation, wo es nur einen einzigen nächsten Schritt gibt. Solange man diesen nicht tut, bleibt die Zeit stehen. Die ganze Ewigkeit würde gar nichts weiter passieren, bis dieser Schritt getan würde. Doch das Unausweichliche wurde mächtiger und stärker. Euch Tieren ist es vergönnt, dass euch das letzte Leiden erspart bleibt, dann, wenn das Leben vorbei ist und nur noch das Leiden übrigbleibt. Deine letzte Nacht hast du meine Hand geleckt und am Morgen hast du mich angeschaut, wie du mich noch nie angeschaut hast. Ich habe dich verstanden, aber ich wollte dich nicht verstehen. Nach Stunden im zeitlosen neben dir sitzen, griff ich schliesslich zum Telefon und wählte die Nummer deines Arztes. Und der Nebel wurde undurchdringlich. 

Timber, du warst ein so stolzer, beindruckender, kräftiger Bursche. Du hast dich nie vorgedrängt, trotzdem warst du immer der Mittelpunkt. Was du dir in den Kopf gesetzt hattest, hast du auch durchgezogen. Deine Augen waren bestechend, doch dein Wille unbestechlich. Was du dir vorgenommen hattest, hast du auch ausgeführt. "Gebt mir einen Trail, und ich laufe ihn bis ans Ende". Und du bist deinen Lebensstrail bis ans Ende gelaufen, bis du nicht mehr laufen konntest, bis dein Körper zu schwach wurde. Dann kam langsam der Nebel auf, jene Nebelwand, die sich nicht einfach so verzieht und danach sieht alles so aus wie vorher. Wenn sich dieser Nebel verzieht, ist alles anders. An diesem Morgen des 4. Advent 2008 war der Nebel dann so undurchdringlich. Du hast mich angeschaut, mich angefleht, dir zu helfen, dich jetzt in diesen letzten Momenten nicht alleine zu lassen. Wir sind alle bei dir geblieben, haben deine Pfoten gehalten, bis sie unseren Händen entglitten, als du dich mit deinen letzten Kräften auf dieser Welt aufgemacht hast um vor unseren Augen durch die Nebelwand hindurchzugehen auf die andere Seite, auf den neuen Trail, der niemals enden wird und immer genügend Schnee hat. Als sich der Nebel verzogen hatte, warst du nicht mehr da. Du hast uns allein gelassen, wir haben uns allein gelassen. Zurück blieb nur deine alte, leere, wunderschöne Hülle. Du brauchst sie nicht mehr, du brauchst uns nicht mehr. Leb wohl, Timber, mein Freund, du schönster, bester, grösster und liebster Husky. Niemals wird ein anderer deinen Platz einnehmen können. Es wir nie einen zweiten wie dich geben. Sicher, es wird andere, auch gute Hunde geben, zum Beispiel dein Enkel Walendil gleicht dir sehr. Aber deinen Platz wird niemals ein anderer einnehmen können, niemals.